Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden

Veröffentlicht am 18.12.2016 in Fraktion

Haushaltsrede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dieter Lehmann im Linzer Stadtrat am 14.12.2016

 

2016 war für Linz ein Jahr der Baustellen und der Baukräne. Das war nur möglich, weil der Rat in den Jahren davor die Weichen entsprechend gestellt und eine ganze Reihe von Projekten jahrelang detailliert geplant hatte.

Wir haben im letzten Monat die Kita Roniger Hof eingeweiht, mit ca. 1,3 Millionen Euro Baukosten, zur Zeit 40 Kindern, einer Top-Ausrüstung, schönen Außenanlagen und motivierten Erzieherinnen. Von der Idee bis zum Abschluss vergingen nur zwei Jahre, eine Rekordzeit für kommunale Verhältnisse – und der Bürgermeister hat daran einen großen Anteil.

Wir haben eine große Baustelle hinter dem Rathaus. Modernes Wohnen im Zentrum der Altstadt wird hier bald möglich sein. Darauf haben wir fast 20 Jahre gewartet.

Wir haben eine Baustelle an der Tiefgarage, das Molti wurde abgerissen, Edeka und andere werden im ersten Halbjahr 2017 dort einziehen. Und dies wird hoffentlich eine positive Ausstrahlung auf den Einzelhandel und die Gastronomie in der ganzen Innenstadt haben. Auf eine sinnvolle Oberflächenbebauung auf der Tiefgarage haben wir 25 Jahre gewartet.

Wir haben eine Baustelle am Ziegenbusch im Rahmen unseres Straßenausbauprogramms.

Wir haben Baugerüste an einer Reihe von Häusern in der Innenstadt, wo die Zuschüsse des ISEK-Programms in Anspruch genommen und Fassaden saniert oder der Innenausbau modernisiert werden. Linz putzt sich, die Bausubstanz wird sukzessive verbessert.

Und wir haben zur Zeit über 35 Baustellen am Roniger Hof I d, ein wahrer Bauboom, wahrscheinlich die größte Baustelle von Einfamilienhäusern im Kreis Neuwied. Auf der Webseite für das Baugebiet wurden die rot unterlegten Grundstücke für verkaufte Bauplätze von Woche zu Woche mehr, die weißen Flecke für nicht verkaufte immer weniger. Im Mai 2015 startete der Verkauf, bis Ende 2016 wollten wir – ein ehrgeiziges Ziel – 50 verkauft haben. Wir sind heute auf den Tag bei 77 angelangt, plus weitere 14, die reserviert sind. Eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen! Und dazu kommt: Die sog.

demografische Komponente, also der Preisnachlass von fünf Euro pro Kind und Quadratmeter Grundstücksfläche, kommt voll zum Tragen. Die neuen Grundstücksbesitzer bringen über 50 Kinder mit. Wir wachsen und wir verjüngen uns! Und noch etwas, was uns freut:  Als Grundstücksbesitzer erlösen wir allein in 2016 ca. 2,5 Mio. Euro aus den Verkäufen, die der Innenstadt zu Gute kommen und jetzt auch der Kita am Roniger Hof. (…)

Die Rahmenbedingungen bezüglich der Finanzen sind schnell genannt. Von ca. 7,5 Mio. Euro Einnahmen werden 5,3 Mio. an Umlagen an Kreis, Verbandsgemeinde und als Gewerbesteuerumlage direkt abgeführt. Als Ergebnis bleibt ein Jahresfehlbetrag im Ergebnishaushalt von 1,2 Mio. Euro. Das ist deutlich höher als 2016, und für sich genommen besorgniserregend. Wenn wir dennoch in 2017 keine Kredite aufnehmen müssen und alles aus liquiden Mitteln finanzieren können und zudem auch der Schuldenstand minimal ist, dann haben wir das den 2,5 Mio. Euro aus dem Roniger Hof zu verdanken, was allerdings noch nicht im Haushalt steht, weil wir ja noch keine Schlussrechnung für 2016 vorliegen haben können.

Die Finanzen der Stadt hängen eng zusammen mit der künftigen kommunalen Organisationsform. Und hier kommt die mögliche Fusion der Verbandsgemeinde mit Bad Hönningen und Unkel ins Spiel. Wir sind eindeutig für diese Fusion, würde doch Linz als Mittelzentrum deutlich gestärkt werden. Eine Fusion muss freilich unter fairen Bedingungen ablaufen und von Anfang an unter Mitwirkung der Räte, also auch von uns. Es ist schon genug Zeit vertrödelt worden - für einen Sturm im Wasserglas und mit Irreführungen der Öffentlichkeit. Jetzt brauchen wir endlich Zahlen, Daten, Fakten und den Willen zum Kompromiss.

2017 wird es weitergehen mit den Baustellen, um den Bestand zu erhalten und um ihn zu modernisieren. Das gilt für die Beethovenstraße als nächste im Sanierungsprogramm, das gilt für die Mühlengasse und Kanzlerstraße als erste im Innenstadtsanierungsprogramm im Rahmen von ISEK, und das gilt für die Dachsanierung des Montessori-Kinderhauses mit 500 000 Euro Kosten. Hinzu kommen die Unterhaltung von nunmehr drei Kindergärten mit einer Unterdeckung von zusammen fast 500 000 Euro, die Modernisierung von Spielplätzen nach einem Gesamtkonzept für 150 000 Euro (z.T. aus der Fortschreibung von 2016), die Unterhaltung des Schwimmbades mit einer Unterdeckung von 165 000 Euro und des Kaiserberg-Stadions mit einer Unterdeckung von 160 000 Euro (davon allerdings 60 000 Euro Abschreibung). Bei all dem wird deutlich, dass uns unsere Kleinen und

Jugendlichen lieb und teuer sind – und das ist gut so. Wir hoffen, dass dies von den Familien und von den Vereinen genau so gesehen wird. Einige Investitionen, die wir vor vier Wochen in das Investitionsprogramm hineingeschrieben hatten, müssen aus finanziellen Gründen geschoben werden, wie z.B. die öffentliche Toilettenanlage am Burgplatz. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Was weitergeht ist die schrittweise und kontinuierliche Umsetzung des 10-Jahres-Programms ISEK mit der weiteren Sanierung privater Gebäude (100 000 Euro als Zuschüsse), mit dem Ausbau Mühlengasse und Kanzlerstraße, mit der Entwicklung eines neuen Innenstadt-Verkehrskonzeptes und eines neuen Stadtmobiliar-Konzeptes. Der Schwerpunkt ISEK wird bleiben, der Schwerpunkt „Digitale Stadt“ kommt hinzu. Hier muss noch etwas Fleisch ans Gerippe, aber man kann schon jetzt sagen: Erfolg wird die digitale Stadt nur haben, wenn auch die Bürger und vor allem die Gewerbetreibenden diese Angebot annehmen und es selbst kreativ mitgestalten. Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich verändert;  Internetbestellungen sind in allen Altersklassen üblich geworden. Mit digitalen Plattformen und einem zentralen Auslieferungsservice könnte man hier einiges zurückgewinnen. Wir müssen zwar um die Existenz jedes Geschäfts in der Innenstadt ringen, aber ebenso klar ist, dass wir das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können. Die Wohnfunktion in der Innenstadt zu erhöhen, ist die richtige Konsequenz. ISEK leistet dazu einen guten Beitrag.

Genau so hat sich das Freizeitverhalten der Menschen verändert. Darauf muss sich unser Tourismus einstellen, und deshalb erwarten wir von der Leitung der TI für 2017 auch eine Phase der Überprüfung und Umorientierung. Eine neue homepage gehört sicherlich dazu, aber wir brauchen mehr.

Die Menschen in Linz sind beunruhigt, wie anderswo auch. Die Demokratie steckt in einer beispiellosen Vertrauenskrise. Manche befürchten das Kollabieren des ganzen Systems. Die gesellschaftliche Normalität, wie wir sie jahrzehntelang kannten, beginnt sich zu verflüchtigen. Viele sehen sich hin- und hergeworfen zwischen islamistischer Terrorgefahr, digitalen Systemabstürzen, Brexit und anderen Auflösungstendenzen der EU, der Wiederkehr der Finanzkrise, gefakten Nachrichten im postfaktischen Zeitalter, d.h. Fakten gelten nichts mehr, wichtiger sind Emotionen, die man mit Falschmeldungen auslösen kann u.v.m., vor allem auch Tendenzen der

Renationalisierung, und das bedeutete in der Vergangenheit nie Gutes für den Weltfrieden. All das erzeugt ein Grundgefühl einer permanenten Bedrohungslage. – Was hat das alles mit Linz zu tun?

Was Menschen brauchen, sind Gewissheiten, Sicherheit und nicht Unsicherheit. Die Gewissheit, gehört zu werden, die Gewissheit, mitmachen zu können, Nähe statt Distanz. Auf die kommunale Demokratie heruntergebrochen heißt das, sich als Bürger aktiv einbringen zu können in die kommunalen Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozesse. Dieses Bürgerengagement zu aktivieren haben wir vor drei Jahren versucht, mit „Linz gestalten – Leben in der Altstadt“. Wer da mitmacht, erlebt auch Gemeinschaft, städtische Identität und im besten Fall Stolz. Auch wenn es richtig ist, dass vielen vieles zu langsam vorangeht. Wir wollen keine Zuschauerdemokratie, wo man nur zuschaut, was die im Rat machen und ggf. dies kritisiert, wir wollen eine Mitmach-Demokratie! Dann braucht man auch kein Wut-Bürgertum zu befürchten. Notwendig ist bei den vorgebrachten Vorschlägen Kompromissbereitschaft und der Respekt vor dem anderen, weil es keine absolute, keine einzige Wahrheit gibt. Wir würden uns freuen, wenn noch mehr mitmachen würden, auch wenn die Ressourcen seitens des Rates unter den Bedingungen der Ehrenamtlichkeit begrenzt sind. Jedenfalls gilt: Die Quelle der Kraft einer Stadt, das ist heute nicht der Stadtrat, nicht die Verwaltung – es sind die Bürger selbst. In Linz gibt es gute Ansätze und gute Möglichkeiten, diese Kraft der Bürgerbeteiligung einzubringen.

Als Stadtrat ist es unsere Aufgabe, Linz zukunftssicher zu machen – soweit das möglich ist. Wir wollen in einer Welt voller Ungewissheiten, dass Linz lebenswert bleibt und die Linzer sich wohl fühlen. Mit den Beschlüssen im Haushalt 2017 haben wir dafür wichtige Weichen gestellt, es wird auch 2017 in Linz viele Baustellen geben und viele Angebote für die Menschen. Deshalb stimmen wir dem Haushalt zu. Aber es bleibt auch noch viel zu tun.

Dieter Lehmann, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat der Stadt Linz

 

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